Patchwork Power – Interview mit Marita Strubelt

Sie ist Stiefmutter, Mama und Bonusmama. Patchwork-Familie kennt sie aus eigener Erfahrung. In ihrer Arbeit mit Ratsuchenden begegnet ihr auch das Thema Narzissmus. Darüber habe ich mit ihr gesprochen:

 

Liebe Marita. Du hast mit „Patchwork Power!“ ein Buch für Patchwork-Familien geschrieben. Erzähl doch mal. Worum geht es da?

Den Weg zu einem stressfreien Patchworkleben auf Augenhöhe! Wenn Eltern sich getrennt haben und neue Partner dazukommen, ist das oft kein Zuckerschlecken – für alle Beteiligten. Mir geht es darum zu zeigen, wie sich jeder in der Patchworkfamilie gesehen fühlt und einen Platz findet. Der Schlüssel ist eine gute Kommunikation. Dafür braucht es zunächst Klarheit über die eigenen Gefühle und Bedürfnisse, gute Wege, um diese dem anderen mitzuteilen und Empathie, um auch andere Sichtweisen stehenlassen zu können. Oft wird erwartet, dass wir den letzten Schritt sofort schaffen. „Du wusstest doch, dass er ein Kind hat.“ Dieser Satz ist eine richtige Ohrfeige, denn er wischt alle eigenen Anliegen vom Tisch. Dabei fängt es doch immer bei einem selbst an. Nur, wenn ich mich gesehen fühle, habe ich langfristig die Energie, um auch die Bedürfnisse der anderen zu sehen – egal ob Partner, Kinder oder Exfrau.

 

Wie genau begleitest Du solche Familien?

In erster Linie arbeite ich mit den Stief- oder „Bonusmüttern“. Das ist nämlich die Rolle, die ich in meiner Familie habe und deshalb noch mehr nachempfinden kann als die Sichtweise einer alleinerziehenden Mutter oder getrennten Elternteils. Wobei sich das vermischt, wenn beide Partner eigene Kinder in die neue Beziehung mitbringen.
Als ich meinen Mann kennengelernt habe, hatte er schon einen anderthalbjährigen Sohn. Jetzt ist er 14. Außerdem haben wir noch zwei gemeinsame Töchter im Alter von 9 und 10.
Am intensivsten ist meine Begleitung im Einzelcoaching. Da geht es vor allem um innere Prozesse: Wie gehe ich damit um, dass immer seine Ex in unserem gemeinsamen Leben präsent ist? Wenn wir mal ein Kind bekommen, ist das für meinen Partner dann überhaupt noch etwas Besonderes? Ich wünschte, er hätte keine Kinder – und das schlechte Gewissen bei diesem Gedanken.
Für Paare biete ich den Patchwork Power! Kurs an. Darin gehe ich mit einer Gruppe in 5 Monaten durch den Lösungspfad, den ich im Buch aufgezeichnet habe. Denn die Theorie zu verstehen ist das eine. In Streitsituationen angemessen reagieren und kommunizieren zu können, das braucht viel Übung.

Die Menschen, die Rat bei Dir suchen, haben auch zum Thema Narzissmus und Toxische Beziehungen Fragen. Welche? Und wie gehst Du damit um?

Ich höre sehr häufig die Bezeichnung „toxische Expartner“ oder die Vermutung, dass der andere Elternteil narzisstisch ist. Dieser Eindruck entsteht leicht, wenn in Diskussionen das Totschlagargument „Kindswohl“ herausgeholt wird. Jeder pocht auf sein Recht. Aufgrund alter Verletzungen oder aktueller Ängste, den Kontakt zum Kind betreffend, gibt es wenig Kooperationsbereitschaft. Dann ist es meiner Erfahrung nach oft leichter, schnell mit einer Diagnose wie Narzissmus zu kommen als zu schauen, wie ich diesem Menschen, der gerade so viel Ärger in mir auslöst, Empathie entgegenzubringen.
Die größte Schwierigkeit sehe ich darin, dass in einigen Fällen beide das gleiche über ihren Ex-Partner behaupten! Mit dieser Haltung landet die ganze Situation leider in einer Sackgasse. Das ist auf Dauer zermürbend, und zwar sowohl für die Eltern als auch für die neuen Partner.
Die Frage ist dann: Kann ich mit „so einem Menschen“ überhaupt sprechen? Bringt es was, da empathisch zu sein? Soll ich es überhaupt nochmal auf einen neuen Versuch ankommen lassen? Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: In vielen Fällen ja! Auch wenn die Situation am Anfang der Beratung vertrackt erscheint, ist mit einer neuen Haltung oft doch mehr Veränderung möglich als gedacht.

Du hast erzählt, dass „Verdeckter Narzissmus in Beziehungen“ Deinen Blick auf die Frage verändert hat, ob Empathie immer das Mittel der Wahl ist. Wie hast Du darüber gedacht, bevor Du das Buch gelesen hast? Und wie denkst Du inzwischen darüber?

Als Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation bin ich davon überzeugt, dass Menschen für sich und ihre eigenen Bedürfnisse handeln und nicht gegen andere. Außerdem tun sie immer das Beste, was ihnen in diesem Moment zur Verfügung steht – auch wenn ich das vielleicht absolut unangemessen finde. Wenn sie eine bessere Strategie wüssten, würden sie diese wählen. Jede Form von Angriff, Vorwurf oder Beleidigung ist ein Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse. Das so zu sehen, ist eine Entscheidung.
Wenn ich also ein Umgangswochenende tauschen will und der Partner nein sagt, ist das nicht automatisch egoistisch, sondern der Wunsch nach Zuverlässigkeit oder Struktur. Wenn die Mutter sich in der Zeit, in der das Kind beim Vater ist, häufig meldet, geht es ihr nicht unbedingt um Kontrolle; sie könnte auch schlicht in Sorge sein, weil sie Sicherheit oder Vertrauen braucht. Wenn darauf gepocht wird, dass am Wochenende für die Schule geübt werden soll, muss das nicht gleich als übergriffig bewertet werden. Vielleicht geht es um Leichtigkeit und Verbindung, dass Dinge schon erledigt sind, wenn das Kind am Sonntagabend wieder zurückkommt.
Marshall Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, war mit seiner Haltung sehr konsequent und hat sogar Vergewaltiger und Mörder empathisch abgeholt. Es gibt viele Berichte von seinen Begegnungen mit psychisch kranken Menschen, Drogenabhängigen oder Straftätern, die hoffnungslos erschienen und dann doch durch Empathie aufgelöst werden konnten.
Du beschreibst in deinem Buch narzisstische Muster, in denen eher Abgrenzung gefordert ist z.B. in Form von Grey Rock. Das kann ich nachvollziehen, wenn tatsächlich eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Sich selbst aufzuopfern, um unendlich Empathie aufzubringen, kann an so einer Stelle nicht das Richtige sein. Die Kunst ist jetzt herauszufinden, wann welcher Weg besser ist – und wie sich das herausfinden lässt.

Was nimmst Du aus dem Buch für Deine Arbeit mit?

Die Begriffe toxisch und narzisstisch werden seit einiger Zeit geradezu inflationär genutzt. Um nicht in eine Kerbe zu hauen, ist es leicht, genervt mit den Augen zu rollen und das Thema komplett abzutun. Dabei geht es nicht um ein Entweder-oder, die Wahrheit ist komplexer.
Vor der Lektüre deines Buches hatte ich mich noch nicht intensiv mit den Spielarten des Narzissmus beschäftigt. Das gilt vor allem für die subtilen Formen des vulnerablen oder verdeckten Narzissmus. Wenn ich jetzt in meinen Beratungen Beschreibungen solchen Verhaltens höre, kann ich viel eher und feinfühliger darauf reagieren. Einige Muster haben jetzt für mich einen Namen bekommen (z.B. Gaslighting, Stonewalling, Co-Narzissmus) und werden dadurch greifbarer und leichter erkennbar.
Für einen gesunden Umgang mit anderen Menschen brauchen wir zuallererst Selbstermächtigung und Selbstfürsorge. Das habe ich so auch im Patchwork-Power-Lösungspfad aufgeschrieben. Du bestätigst das in der Infobox „Gut zu wissen, wenn ihr gemeinsame Kinder habt“ mit den Aussagen, „dass wir gestützt durch psychologische Begleitung ein noch besseres Bollwerk für unsere Kids sein können“ und „dass sie nicht in einen Loyalitätskonflikt zwischen ihren Eltern geraten sollten.“
Und ich nehme den Satz mit: Toxischen Beziehungen fehlt ein lebenswichtiges Organ: Kommunikation. Denn darum geht es bei mir: Wie kann Kommunikation (wieder) funktionieren?

Gibt es etwas, das Du den Lesenden auf den Weg mitgeben möchtest?

Menschen, die Dein Buch lesen, wollen herausfinden, ob ihr Partner narzisstisch ist. Das erscheint bei einem geliebten Menschen zunächst unvorstellbar, wie ich aus deinen eigenen Schilderungen entnehmen konnte. Es ist ein schmerzhafter und deshalb vorsichtiger und zeitintensiver Prozess, weil er auch das eigene Verhalten unter einem neuen Licht erscheinen lässt.
Nach einer Trennung ist die Sache eher andersherum: Es ist leicht, den Ex-Partner mit dem Stempel „narzisstisch“ zu versehen und sich knallhart abzugrenzen, Nein zu sagen und zu mauern – alles Verhaltensweisen, die in einer narzisstischen Beziehung notwendig und anzuraten sind. Leider folgt im Patchworkkonstrukt daraus oft die Konsequenz, dass die nötige Kommunikation eher schwerer wird.
Ich möchte sagen: Empathie geht öfter als Du denkst! Vielleicht lohnt es sich doch nochmal, einen Versuch zu starten. Denn wenn es funktioniert, ist ein wirklich entspanntes und harmonisches Miteinander auf Dauer meiner Ansicht nach immer vorzuziehen. Wenn noch ein kleiner Funke Hoffnung da ist – komm zu mir und lies mein Buch.

 

Podcast der Sisters of Comedy

Die Sisters of Comedy setzen sich seit einigen Jahren dafür ein, das Thema Gleichstellung wieder in den öffentlichen Fokus zu rücken – denn es ist und bleibt eine Dauerbaustelle. Jeweils am 2. Montag im November gehen Kleinkünstlerinnen im gesamten deutschen Sprachraum parallel auf die Bühne, um nachzulachen: Mit Gefühl und Augenzwinkern spielen sie Benefiz-Shows zugunsten von Frauen-Projekten, um darauf aufmerksam zu machen, dass auf der Bühne und im Publikum in Sachen Gleichberechtigung noch Einiges zu tun ist. Auch ich bin mit meinem Kabarett- und Chanson-Programm am 14.11. wieder als Patin auf dem Hamburger Theaterschiff am Start.
Vor einiger Zeit hat Sonja Gründemann – Bühnen- und Businessfrau – den passenden Podcast zu dem Format ins Leben gerufen. Und ich hatte kürzlich das Vergnügen, eingeladen zu sein, und mit ihr zu sprechen. Das war eine knackige Unterhaltung. Und Bücher kann man auch gewinnen. – Hört mal rein! 

NOCH ein Buch über Narzissmus!?!

Am 16.05. ist mein Buch erschienen. Schon die ersten Posts im Vorfeld der Veröffentlichung zeigten, wie lebhaft die Debatte zu diesem Thema ist:
„Es gibt doch so viele andere toxische Beziehungsmuster“, schrieb ein User neulich, „aber gerade ist es ziemlich hipp, Narzissten für alle Unbill in Beziehungen verantwortlich zu machen (…). Narzissmus steht doch schon ziemlich im Rampenlicht der Gesellschaft. Und fühlt sich wahrscheinlich auch recht wohl dort.“ –
Touché! Das ist so witzig wie wahr! Aber: Es ist nur die halbe Wahrheit. Ein kurzer Blick in die Abendnachrichten zeigt, dass Narzissmus nicht nur im Rampenlicht steht, sondern vielmehr an den Hebeln der Macht – bereit, die Welt aus den Angeln zu heben. Ohne Rücksicht auf Verluste. Solange es nur dem eigenen, fragilen Ego dient. Hätte „die Gesellschaft“ ein Mittel dagegen gefunden, würde ich zustimmen, und sagen: „Das Thema ist auserzählt!“ Aber ganz offenbar ist dem nicht so. Vielmehr steht „die Gesellschaft“ dem skrupellosen Machtmissbrauch viel zu oft hilflos gegenüber, redet ihn klein, legitimiert ihn oder macht ihn erst möglich.
Auch die Zahl derer, die im privaten Umfeld narzisstischen Missbrauch erleiden (ob im Elternhaus, in Partnerschaften oder anderswo) spricht für sich: Wir haben kein Konzept dafür, Menschen davor zu beschützen, Opfer zu werden. Emotionaler Missbrauch ist eine doppelte Dosis aus der Tabu-Kiste: Zum Stigma, das dem M-Wort anhaftet, kommt erschwerend der Umstand hinzu, dass seelischer Missbrauch schlicht unbekannt ist. – Oder hat dir deine Mutter beigebracht, woran du erkennst, dass eine Beziehung auf subtile Weise toxisch ist? „Kind, wenn du in der Disco auf Klo gehst, lass dein Glas nicht unbeaufsichtigt! Lass dich nicht beim ersten Date ins Bett kriegen! Meide nachts dunkle Straßen! Und übrigens: Wenn du nach zehn Jahren in einer liebevollen Partnerschaft (oder dem, was du dafür gehalten hast) plötzlich merkst, dass das Zusammensein dir irgendwie nicht guttut, dann solltest du an Missbrauch denken!“ Hat deine Mutter dir auch diesen letzten Rat mitgegeben? Nein? – Eben!
(Und wenn du als Mann erzogen wurdest, hast du vermutlich auch die Sätze davor nicht zu hören gekriegt. Und es ist gar nicht so leicht zuzugeben: „Meine Frau macht etwas mit mir, das ich nicht ganz gegriffen kriege – aber ich habe mich dabei beobachtet, wie ich Schlaftabletten besorgt habe. Viele.“)
Wofür wir keine Worte haben, das können wir nicht benennen. Und genau dieses „Benennen“, was so schwer ist, wenn wir es nicht lernen, genau dieses Benennen ist ein Schlüssel auf dem Weg da raus.

Narzissmus ist mehr als ein Modewort. Mehr als eine bequeme Müllkippe für Eigenverantwortung, auf der wir die Schuld für Beziehungsprobleme verklappen können, wenn uns Selbstreflexion zu mühsam ist. Narzisstischer Missbrauch ist real. Er kostet Menschenleben. – Und gerade der verdeckte ist so unbekannt, dass auch geschulte Menschen aus Therapie, Medizin und Pädagogik ihn übersehen, oder ihm auf den Leim gehen, so dass sie Schutzbefohlene nicht davor bewahren können.

Damit sie das zukünftig können, braucht es einen klar definierten Narzissmus-Begriff, um den die Wissenschaft immer noch ringt, und den Modewort-Industrie und Dämonisierungen nur noch mehr verwässern. Und es braucht eine Sensibilisierung für die typischen Muster.
Einen kleinen Beitrag dazu versucht mein Buch zu leisten. Und ab jetzt auch dieser Blog, in dem Eure Fragen, Anregungen, Erfahrungen und Impulse willkommen sind. Damit wir miteinander lernen, uns vor Übergriffen auf unsere seelische und körperliche Unversehrtheit zu schützen – individuell und als Gesellschaft. Und das bedeutet auch, den Blick nach innen zu wagen, und ehrlich mit uns selbst zu sein. Damit wir von dem, was uns widerfahren ist, heilen. Und damit wir uns in Zukunft davor in Acht nehmen (soweit das in unserer Hand liegt).

Fangen wir also an: Was bewegt euch gerade? Welche Anliegen möchtet Ihr hier besprochen wissen?

Artikel im Musenlust Blog

Seit ein paar Jahren gehöre ich zu einem Team, das den Musenlust Blog betreut. Mit großem Genuss berichte über Erfolge und Aktivitäten von Menschen, die (wie ich) die Celler Schule (die Songtext-Masterclass der GEMA-Stiftung) absolviert haben. Außerdem geht es um Kulturpolitik und andere wissenswerte Dinge aus der Kulturszene. Jetzt habe ich anlässlich der Veröffentlichung in diesem Rahmen mal über mich selbst berichtet, und ein wenig ausgeholt. Hier findet Ihr den Beitrag.

femtastics: Mein Interview im Fempower-Magazin

Ich freue mich total darüber, heute mit einem echt runden Interview im Onlinemagazin femtastics zu sein! Vielen lieben Dank an die ganze Redaktion!

In dem Gespräch, das Luise Rau mit mir geführt hat, geht es unter anderem um meine Beweggründe, das Buch zu schreiben, um verschiedene Formen von Narzissmus und darum, was es braucht, um für verdeckten Narzissmus und emotionalen Missbrauch zu sensibilisieren.

Schaut mal rein!