Narzissmus und Onlinedating – Liebe in Zeiten von Corona

Die Pandemie zwingt viele Menschen, bei der Suche nach dem Lieblingsmenschen neue Wege zu beschreiten. Doch: Wie können wir uns sicher sein, auf wen wir uns da einlassen, wenn das Kennenlernen virtuell stattfindet?

 

Das Netz, und gerade die sozialen Netzwerke, sind eine narzisstische Domäne. Denn wo könnte man besser falsche Fassaden aufbauen als dort!?! Narzissmus-Expertinnen stehen dieser Art der Kontaktaufnahme daher zuweilen sehr skeptisch gegenüber. Auch ich habe in meinem Buch davor gewarnt – besonders, wenn es eine Vorgeschichte mit toxischen Beziehungen gibt.
Nichtsdestotrotz leben wir noch immer mit COVID. Und vorsichtige Menschen brauchen alternative Gelegenheiten, um Beziehungen knüpfen zu können. Darum möchte ich hier ein paar Hinweise mitgeben, wie sich Onlinedating möglichst sicher gestalten lässt:

 

  1. Die richtige Haltung:
    Die wichtigste Zutat dabei, eine gesunde Beziehung zu führen, ist die Wahl, die wir treffen. Daher ist es kein Hindernis, sondern vielmehr ein legitimer Schutz, wählerisch zu sein. Spätestens nach der letzten missbräuchlichen Beziehung sollte klar sein: Gesundlieben können wir niemanden! Es hilft nicht, sich in Potenzial zu verlieben, das wir dann im Gegenüber erst entfalten wollen. Unsere Flamme sollte ihr Potenzial bereits entfaltet haben und passend sein. Ohne unser Zutun!

 

  1. Die Wahl der Plattform:
    Alles steht und fällt mit der richtigen Plattform. Wo man bezahlen muss, ist die Arschloch-Quote potenziell geringer, und die Absichten ernster. Diese Investition lohnt sich also.
    Ratsam ist auch, auf hohe Sicherheitsstandards zu achten: Werden die persönlichen Daten verifiziert? Wird der Chat gemonitort? Usw.
    Besonders empfehlenswert sind Portale, wo der erste Eindruck nicht über Bilder, sondern durch Texte und Nachrichten entsteht. Das geht gleich auf eine tiefere Ebene, weg von der Fassade. Und du merkst schnell, ob sich jemand die Zeit nimmt, mehr als eine Telefonnummer zu posten.

 

  1. Dein Profil:
    Dein Profil sollte Ausdruck deiner inneren Haltung sein. Besser du zeigst schon hier klare Kante und machst sehr deutlich, was du suchst und was nicht. Wenn sich hier jemand selbst aussortiert, und sich entscheidet, dir nicht zu schreiben, dann kannst du froh und dankbar sein, diese Person von der Backe zu haben!
    Um Deine Wünsche und No-Gos klar zu formulieren, kann (wenn du dazu schon bereit bist) ein Rückblick in die toxische Beziehungshistorie Modell stehen – und zwar als Negativbeispiel.
    Ein zusätzlicher Schutz kann es sein, auf alle zu verzichten, was narzisstische Menschen anzieht: Du bist berühmt? Verschweige deinen Beruf und gebe einen Nickname an! Du hast sexy Fotos aus einem professionellen Studio? Nimm lieber die verhuschten, ungeschminkten Schnappschüsse im Wollpulli! Du bist reich? Poste kein Bild von deiner Yacht etc.

 

  1. Die Profile der anderen:
    Hier kannst du deinen Filter sehr scharf schalten: Besser zu viele ausschließen als zu wenige! Aussortieren kannst du alle Menschen, die auf ihren Bildern zu sehr posen – ein Verhalten, das auf narzisstische Tendenzen schließen lassen könnte (aber natürlich nicht muss).
    Wenn es im Profil die Funktion gibt, sich selbst Eigenschaften zuzuordnen, kannst du alles herausfiltern, dass potenziell narzisstisch klingt, wie zum Beispiel: „Sehr gutaussehend“, „erfolgreich“ oder „beliebt“. – Wer sagt so etwas ernsthaft über sich!?!
    Suche Profile, die den Eindruck vermitteln, dass sich hier jemand wirklich Mühe gemacht hat – diese Person will vermutlich wirklich was, und ist auch im Leben potenziell committet.
    Gleiche die Selbstbeschreibung mit deinem Suchprofil ab: Deckt sich das wirklich? Oder setzt hier bereits Idealisierung ein? Oder die Wirkung eines Glaubenssatzes wie beispielsweise „Ich bin nicht liebenswert – daher nehme ich, wen ich kriegen kann!“?
    Kontaktiere nur die Menschen, wo deine Narzissmus-Alarmanlage nicht ausschlägt, und die zu dem passen, was du suchst!

 

  1. Alles liegt im Anfang:
    In der Psychologie haben wir den Schnack „Es liegt alles im Anfang!“. Und wirklich: Der erste Eindruck spricht nicht nur bei Klient*innen Bände!
    Beobachte genau die ersten Nachrichten, die Ihr austauscht: Welches Muster zeichnet sich ab? Wie geht es dir mit dem Kontakt? Wenn du mit Nachrichten bombardiert wirst, ewig warten musst oder inkonsistentes Kontaktverhalten dich irritiert, ist das vielleicht nicht der richtige Mensch für dich! – Dann verabschiede dich freundlich und beende den Kontakt. Schreiben kannst du zum Beispiel etwas wie: „Danke für Deine Nachrichten. Ich merke, ich suche etwas anderes. Für Deine weitere Suche wünsche ich Dir viel Erfolg. Ich hoffe, Armor klopft bald an! Alles Gute…“

 

  1. Gehen, wenn es nicht passt:
    Wichtig ist, sehr klar und entschieden zu sein, wenn etwas nicht passt. Fang gar nicht erst damit an, dir etwas schön zu reden. Sei ehrlich mit Dir selbst! Du kannst das als eine Art Training fürs Bauchgefühl betrachten:
    Wenn etwas nicht stimmt, geh! Worauf willst Du warten!?

 

  1. Schutz-Strategien:
    Beherzige, wenn es stimmig ist, in der Kontaktanbahnung folgende Regeln:
    – Mach langsam!
    – Öffne dich nicht zu schnell mit zu intimen Inhalten!
    – Vertrauen muss verdient werden!
    – Gegebenenfalls möchtest du unter einem Spitznamen auftreten und zunächst keine persönlichen Daten rausgeben.

 

  1. Das Kommunikationsverhalten:
    Wenn Ihr länger Nachrichten austauscht, hör auf deine Intuition, wie es dir im Kontakt (und davor und danach) geht. Und beobachte die Dynamik, die zwischen euch entsteht: Gibt sie an? Macht er Dich verantwortlich dafür, ihn zu trösten, wenn er einen schlechten Tag hat? Hört sie überhaupt zu? Oder stellt er viel zu viele viel zu intime Fragen? – Dann: Hasta la vista!

 

  1. Bedürfnisse:
    Im Vorfeld vom ersten Date kann die Frage, wie ihr das Treffen Corona-sicher gestaltet, ein aufschlussreicher Punkt sein: Narzisstische Menschen sind häufig angstfrei und verantwortungslos. Sie überschreiten Grenzen, hacken auf den (scheinbaren) Schwächen anderer herum und zeigen sich gegenüber Bedürfnissen, die nicht ihre eigenen sind, zuweilen respektlos. Die für dich stimmigen Corona-Regeln zu vereinbaren, kann also sehr aufschlussreich sein: Wenn du dich hier nicht gehört fühlst, ist das eine rote Linie.

 

  1. Das erste Date:
    Wenn ein Mensch dir sympathisch ist, sorg dafür, dass du möglichst frühzeitig einen echten Eindruck bekommst. Beim Schreiben lassen sich narzisstische Traits länger verstecken als im direkten Miteinander.
    Die erste Begegnung könnte via Videochat oder an einem belebten Platz in der Öffentlichkeit stattfinden, wo du dich sicher fühlen kannst.
    Im Gespräch merkst du schnell, ob du zu Wort kommst, oder ob jemand zu sehr von sich eingenommen ist. Witze auf deine Kosten fallen dir auf. Ebenso wie das sonstige Verhalten – zum Beispiel die Interaktion mit Servicekräften.
    Hier merkst du auch den Umgang mit Grenzen. Unter anderem bei der Frage, wie Ihr Euch voneinander verabschiedet…
    Wenn Du entscheidest, dass das erste Date das letzte war, kannst du es ggf. auch im Nachhinein kommunizieren, wenn du zunächst drüber schlafen möchtest, oder Sorge hast, wie deine Entscheidung aufgenommen wird.

 

 

Wichtig ist: Gehen kannst du jederzeit. Doch je länger du wartest, desto schwerer fällt es. Also sei schnell. Unser Instinkt weiß oft mehr als wir – und zwar gar nicht so selten vom ersten Augenblick an. – Hör drauf!