NOCH ein Buch über Narzissmus!?!
Am 16.05. ist mein Buch erschienen. Schon die ersten Posts im Vorfeld der Veröffentlichung zeigten, wie lebhaft die Debatte zu diesem Thema ist:
„Es gibt doch so viele andere toxische Beziehungsmuster“, schrieb ein User neulich, „aber gerade ist es ziemlich hipp, Narzissten für alle Unbill in Beziehungen verantwortlich zu machen (…). Narzissmus steht doch schon ziemlich im Rampenlicht der Gesellschaft. Und fühlt sich wahrscheinlich auch recht wohl dort.“ –
Touché! Das ist so witzig wie wahr! Aber: Es ist nur die halbe Wahrheit. Ein kurzer Blick in die Abendnachrichten zeigt, dass Narzissmus nicht nur im Rampenlicht steht, sondern vielmehr an den Hebeln der Macht – bereit, die Welt aus den Angeln zu heben. Ohne Rücksicht auf Verluste. Solange es nur dem eigenen, fragilen Ego dient. Hätte „die Gesellschaft“ ein Mittel dagegen gefunden, würde ich zustimmen, und sagen: „Das Thema ist auserzählt!“ Aber ganz offenbar ist dem nicht so. Vielmehr steht „die Gesellschaft“ dem skrupellosen Machtmissbrauch viel zu oft hilflos gegenüber, redet ihn klein, legitimiert ihn oder macht ihn erst möglich.
Auch die Zahl derer, die im privaten Umfeld narzisstischen Missbrauch erleiden (ob im Elternhaus, in Partnerschaften oder anderswo) spricht für sich: Wir haben kein Konzept dafür, Menschen davor zu beschützen, Opfer zu werden. Emotionaler Missbrauch ist eine doppelte Dosis aus der Tabu-Kiste: Zum Stigma, das dem M-Wort anhaftet, kommt erschwerend der Umstand hinzu, dass seelischer Missbrauch schlicht unbekannt ist. – Oder hat dir deine Mutter beigebracht, woran du erkennst, dass eine Beziehung auf subtile Weise toxisch ist? „Kind, wenn du in der Disco auf Klo gehst, lass dein Glas nicht unbeaufsichtigt! Lass dich nicht beim ersten Date ins Bett kriegen! Meide nachts dunkle Straßen! Und übrigens: Wenn du nach zehn Jahren in einer liebevollen Partnerschaft (oder dem, was du dafür gehalten hast) plötzlich merkst, dass das Zusammensein dir irgendwie nicht guttut, dann solltest du an Missbrauch denken!“ Hat deine Mutter dir auch diesen letzten Rat mitgegeben? Nein? – Eben!
(Und wenn du als Mann erzogen wurdest, hast du vermutlich auch die Sätze davor nicht zu hören gekriegt. Und es ist gar nicht so leicht zuzugeben: „Meine Frau macht etwas mit mir, das ich nicht ganz gegriffen kriege – aber ich habe mich dabei beobachtet, wie ich Schlaftabletten besorgt habe. Viele.“)
Wofür wir keine Worte haben, das können wir nicht benennen. Und genau dieses „Benennen“, was so schwer ist, wenn wir es nicht lernen, genau dieses Benennen ist ein Schlüssel auf dem Weg da raus.
Narzissmus ist mehr als ein Modewort. Mehr als eine bequeme Müllkippe für Eigenverantwortung, auf der wir die Schuld für Beziehungsprobleme verklappen können, wenn uns Selbstreflexion zu mühsam ist. Narzisstischer Missbrauch ist real. Er kostet Menschenleben. – Und gerade der verdeckte ist so unbekannt, dass auch geschulte Menschen aus Therapie, Medizin und Pädagogik ihn übersehen, oder ihm auf den Leim gehen, so dass sie Schutzbefohlene nicht davor bewahren können.
Damit sie das zukünftig können, braucht es einen klar definierten Narzissmus-Begriff, um den die Wissenschaft immer noch ringt, und den Modewort-Industrie und Dämonisierungen nur noch mehr verwässern. Und es braucht eine Sensibilisierung für die typischen Muster.
Einen kleinen Beitrag dazu versucht mein Buch zu leisten. Und ab jetzt auch dieser Blog, in dem Eure Fragen, Anregungen, Erfahrungen und Impulse willkommen sind. Damit wir miteinander lernen, uns vor Übergriffen auf unsere seelische und körperliche Unversehrtheit zu schützen – individuell und als Gesellschaft. Und das bedeutet auch, den Blick nach innen zu wagen, und ehrlich mit uns selbst zu sein. Damit wir von dem, was uns widerfahren ist, heilen. Und damit wir uns in Zukunft davor in Acht nehmen (soweit das in unserer Hand liegt).
Fangen wir also an: Was bewegt euch gerade? Welche Anliegen möchtet Ihr hier besprochen wissen?